Friday, July 13, 2012

Edward Hopper und der Voyeur

Edward Hopper – bei keinem anderen Künstler bin ich lieber Voyeur. Des Nachts findet sich irgendwo ein hell beleuchtetes Büro oder Zimmer, in das ein Fenster Einblick gewährt. Eine alltägliche, meist banale Szene spielt sich ab, Kommunikation fehlt häufig ganz. Dennoch lassen mich diese Szenen verweilen, eine ungewohnte Intimität lässt mich näher an das Werk herantreten – und doch werde ich auf Distanz gehalten.

Ebenso finden sich Szenen, die dem Betrachter suggerieren, sich im selben Zimmer oder Nebenzimmer zu befinden, den Blick auf eine auf ihrem Bett sitzende oder am Fenster stehende (mitunter nackte) Frau freigebend. Räumlich fast involviert, werden wir jedoch auch hier wieder auf Distanz gehalten und in die Rolle des Voyeurs gedrängt. Mit Hilfe von Komposition und Lichtführung gelingt es Hopper, die für ihn typische Intimität der Einsamkeit zu erzeugen.


Nachts im Büro, 1940.
Öl auf Leinwand, 55,8 x 63,5 cm.
Walker Art Center, Minneapolis.



Morgensonne, 1952.
Öl auf Leinwand, 71,4 x 101,9 cm.
Columbus Museum of Art, Columbus, Ohio.


Hopper gilt als der große amerikanische Chronist, der die Isolation und Einsamkeit des modernen Menschen in einer Welt der Urbanisierung wiedergibt, und er versteht es, eine ganz eigene, manchmal auch melancholische Stimmung zu erzeugen. Karge Räume, menschenleere Landschaften, Bahngleise, Straßenansichten, Cafés, Tankstellen, Leuchttürme und vieles mehr begegnen uns immer wieder, und immer wieder sind wir Voyeur, suchen nach einer Geschichte und vermissen ein wenig die Kommunikation. Von diesen Darstellungen inspiriert, finden sich wenig später in den Filmen Alfred Hitchcocks (Psycho) verschiedene Gemälde Hoppers rezipiert.

Seien Sie Voyeur! – Und verfolgen Sie thematisch und chronologisch den Werdegang des Künstlers noch bis zum 16. September 2012 im Museo Thyssen-Bornemisza in der größten je in Europa gezeigten Hopper-Ausstellung. Alternativ genießen Sie die Inszenierung der Einsamkeit auch zu Hause mit dem neuen E-Book oder der gedruckten Ausgabe aus dem Parkstone-Verlag.

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