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Thursday, November 8, 2012

Die Geschichte zum Bild

Ein gutes Buch zu lesen, sich in seinen Charakteren zu verlieren, ihnen gedanklich ein physisches Äußeres zu verleihen, Emotionen nachzuvollziehen und sich mit ihnen zu identifizieren, bedeutet, einen Moment der Kurzweil genießen.

Doch was uns bei der Metamorphose der Geschichte in Bilder so einfach fällt, scheint umgekehrt mitunter abwegig. Gemälde und Skulpturen werden betrachtet, für schön befunden oder auch nicht, analysiert und interpretiert, die technische Meisterleistung wird gelobt und Details werden bewundert. Doch in all der mehr oder weniger wissenschaftlichen Auseinandersetzung scheint es absurd, die Kurzweil zu genießen, zum Dargestellten auch eine Geschichte zu erfinden, das Bild aus seiner singulären Stellung als plane kolorierte Leinwand in die Komplexität der Künste und Imagination zu überführen. Wir können ein Kunstwerk analysieren, den Goldenen Schnitt finden oder vielleicht sogar die Intention des Künstlers entschlüsseln, aber wir könnten uns ebenso gut die Zeit nehmen, dieses Werk zu betrachten und ihm eine Geschichte zu geben.

Jan Vermeer (1632-1675) und Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) sowie viele andere Künstler verleiten geradezu dazu, sich zu fragen, was Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring (um 1665; Den Haag, Königliche Gemäldegalerie Mauritshuis) dazu bewogen hat, sich noch einmal umzuschauen oder ob sich Renoirs Mädchen im Tanz in Bougival (1883; Boston, Museum of Fine Arts) doch noch küssen lassen wird.

Einer der wohl geeignetesten Künstler für ein solches „Experiment“ ist Edward Hopper. Seine von den Kritikern häufig als Entfremdung des Individuums in der Einsamkeit der Großstadtmetropole charakterisierten Darstellungen bieten der Fantasie aufgrund der minimalistisch ausgestatteten Interieurs, der übersteigerten Lichtregie und der Momentaufnahmen der Figuren einen weiten Spielraum.

 


Edward Hopper, Western Motel, 1957.
Öl auf Leinwand, 77,8 x 128,3 cm.
Yale University Art Gallery, Bequest of Stephen Carlton Clark, B.A. 1903.


 

Die Dame im Western Motel beispielsweise schaut erwartungsvoll in die Richtung des Betrachters, ihr Koffer ist bereits gepackt, das Auto vorgefahren. Wird sie sich von dem Mann, der nichtsahnend auf dem Zimmer noch im Bett liegt und schläft, verabschieden oder wird sie dem Fahrer des grünen Wagens ihr Gepäck überlassen und wieder in ihren Alltag, in ein Großraumbüro nach New York zurückkehren?

 


Edward Hopper, House by the Railroad, 1925.
Öl auf Leinwand, 61 x 73,7 cm.
The Museum of Modern Art, New York.


 

Oder was verbirgt sich hinter den halb geöffneten Fensterläden der ersten Etage von Hoppers House by the Railroad? Hitchcock nahm es als Inspiration für seinen Film Psycho.

Schlagen Sie ein Buch auf, fangen Sie an zu lesen und lassen Sie sich in die Geschichte um die Helden und Heldinnen der Erzählung entführen. Zeichnen Sie in ihrem Kopf die Charaktere nach, erwecken Sie sie zum Leben, geben Sie ihnen in Ihren Gedanken Persönlichkeit – aber geben Sie auch den Persönlichkeiten auf der Leinwand Ihre Geschichte.

Verfolgen Sie noch bis zum 28. Januar 2013 im Grand Palais in Paris die Ausstellung Edward Hopper mit all den interessanten wissenschaftlichen Aspekten, die seine Kunst zu bieten hat oder genießen Sie die Kurzweil, wenn Sie zu Hause Ihrer Fantasie mit dem Buch Edward Hopper von Gerry Souter aus dem Verlag Parkstone International freien Lauf lassen.

 

 

Tuesday, October 9, 2012

Zwischen Realismus und Impressionismus, zwischen privatem undöffentlichem Raum

Der französische Impressionismus hat viele große Namen hervorgebracht: Bazille, Cézanne, Degas, Gauguin, Manet, Monet, Sisley, Morisot, Pizarro und Renoir, um nur einige zu nennen. Sie alle waren Impressionisten, strebten nach einer Erneuerung der Kunst, waren der Freilichtmalerei verpflichtet und trotz gleicher Ziele war doch jeder für sich einzigartig. Ergänzen Sie der (Un-)Vollständigkeit halber diese Aufzählung noch um einen weiteren Künstler, der in der deutschen Kunstgeschichte erst in den letzten Jahren wirklich Beachtung fand: Gustave Caillebotte (1848-1894).

Der Künstler, der bisher noch mehr Bedeutung als Mäzen und Sammler erlangte und in enger Freundschaft zu Monet, Renoir und Sisley stand, wurde zum ersten Mal 1994 in einer größeren Ausstellung in Paris gewürdigt. Sein Werk ist ohne Zweifel impressionistisch. Doch ist es nicht nur seine Themenwahl, es sind nicht nur die alltäglichen Szenen, die unwillkürlich die Assoziation zum Realismus implizieren. Es ist auch seine fotografische Perspektive, mit der er das Leben in den Cafés, in den Straßen und auf den Pariser Boulevards auf die Leinwand bannt.

Den Stadtansichten stehen Porträts, Interieurs und Landschaften gegenüber, die ebenso zwischen fotografischem Realismus und malerischem Impressionismus balancieren. Der private Raum findet gleichermaßen zur Darstellung wie der öffentliche Raum – und immer wahrt Caillebotte eine gewisse hinreißende Intimität, in der wir uns gern verlieren.

 


Rue de Paris, temps de pluie
(Paris, an einem Regentag), 1877.
Öl auf Leinwand, 212,2 x 276,2 cm.
Art Institute, Chicago.


 

Caillebotte: Ein Künstler zwischen Realismus und Impressionismus oder eher zwischen Fotografie und Malerei? Die SCHIRN Kunsthalle Frankfurt am Main stellt ab dem 18. Oktober unter dem Titel Gustave Caillebotte. Ein Impressionist und die Fotografieden lange von der Kunstgeschichte vernachlässigten Künstler aus.

Sollten Sie keine Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung haben, können Sie aber alternativ Caillebottes künstlerischen Werdegang auch von zu Haus aus nachverfolgen. Grundlage dafür kann etwa der vom Verlag Parkstone-International aufgelegte Titel Caillebotte mit seinen vielen Detailansichten im handlichen Druckformat sein.

Caillebotte

Man muss auch in dickleibigen oder vielbändigen Lexika lange nach Informationen über Gustave Caillebotte (1848-1894) suchen, bevor man meistens recht dürftige Auskünfte erhält. Am ehesten findet man sie in den zeitgenössischen Exemplaren der Zeitschrift Le Yacht, die über den begeisterten Segler und erfahrenen Bootsbauer, der auf die über zwanzig von ihm entworfenen und gebauten Yachten zu Recht stolz war, berichten. Anfangs segelte er auf der Seine, später aber von seinem normannischen Domizil aus sowie von Le Havre oder Trouville, dem Nachbarort des damals recht mondänen Badeortes Deauville, als erfolgreicher Regattateilnehmer vor der Küste der Normandie.

Sein Selbstporträt (etwa 1892; Musée d’Orsay, Paris) zeigt einen selbstbewussten, wettergewohnten Mittvierziger, weist aber nicht darauf hin, dass er ursprünglich – so wie manch anderer Maler auch – Jura studiert und dieses Studium auch erfolgreich abgeschlossen hat. Neben der Schule, dem späteren Studium und der anschließenden Teilnahme am Preußisch-Französischen Krieg von 1870/1871 hatte sich Caillebotte schon recht frühzeitig dem Zeichnen zugewandt und begann auch bald, seine künstlerischen Ideen auf Ölgemälde zu übertragen. Eines seiner frühesten bekannten Bilder, in dem das zeichnerische Element noch recht deutlich hervortritt, stammt von seiner Italienreise und zeigt eine Pferdekutsche auf sandiger Landstraße mit dem Vesuv im Hintergrund (Straße bei Neapel; um 1872; Privatsammlung).

Mit seiner sportlichen Leidenschaft war das Sammeln von Kunstwerken sehr eng verbunden, und durch diese Begeisterung war der gutsituierte Caillebotte mit den seinerzeit heftig umstrittenen, von ihm stark geförderten Impressionisten in Berührung gekommen und zu ihrem Mäzen und Organisator ihrer Ausstellungen geworden. Er schloss nicht nur lebenslange Freundschaften mit Claude Monet (1840-1926), Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) und Camille Pissarro (1830-1903), sondern näherte sich im Lauf der Zeit auch deren Malweise an. So weisen seine Werke einen realistisch-impressionistischen, gelegentlich nahezu fotografischen Stil auf. In seinen Themen findet sich neben Porträts, Genre-und Landschaftsbildern häufig und wie selbstverständlich das ihm vertraute Element Wasser – Flüsse, Seen, das Meer. So etwa in Segelboote bei Argenteuil (um 1888, Paris, Musée du Louvre) oder in seinem farbenprächtigen Ruderer auf der Yerres (1877; Privatbesitz).

Seine Leidenschaft für die Malerei spiegelt sein Werk. Es umfasst trotz seines kurzen Lebens etwa 500 Arbeiten, die er eigentlich alle dem Staat hinterlassen wollte, der aber einen Großteil davon ablehnte und nur einige wenige übernahm, deren Großteil sich mittlerweile und üblicherweise im Musée d’Orsay befindet. Ab dem 18. Oktober 2012 unter dem Titel Gustave Caillebotte. Ein Impressionist und die Fotografie sind seine Werke aber in der SCHIRN Kunsthalle in Frankfurt am Main zu sehen.

Sollten Sie keine Gelegenheit zum Besuch dieser Ausstellung haben, können Sie alternativ Caillebottes künstlerischen Werdegang auch von zu Hause aus nachverfolgen. Grundlage dafür kann etwa der vom Verlag Parkstone-International aufgelegte Titel Caillebotte mit seinen vielen Detailansichten im handlichen Druckformat sein.

Thursday, September 6, 2012

Stereotypen und russischer Realismus

Das alte Zarenreich Russland wird heute immer noch mit vielen Stereotypen verbunden: Selbstgebrannter Wodka in trinkfreudigen Gesellschaften mit Balalaika-Musik oder mit traditionellen Trachten und Volkstänzen. Nach Umfrage des Magazins Der Spiegel vom Dezember 2007 sollen Russen tapfer und gastfreundlich sein. Aber was weiß man wirklich von diesem flächenmäßig größten Staat, der vor allem Kälte und Winter mit langen Nächten assoziiert? Dem einen mögen die Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, Igor Strawinsky oder die Opern-Diva Anna Netrebko ein Begriff sein, dem anderen Literaten wie Alexander Puschkin, Lew (Leo) Tolstoi oder Fjodor Dostojewski, und vielleicht mag auch der eine oder andere die Namen der Maler Ilja Repin und Valentin Serow schon einmal vernommen haben. Doch was weiß man wirklich über dieses Land der Märchen und Sagen, über seine Künstler und deren Intentionen?

Die beiden waren Maler des Realismus und bildeten das gesellschaftliche Leben ihrer Zeit kritisch und charakteristisch ab. Beide schlossen sich einer um die letzte Jahrhundertwende erfolgreichen Künstlergruppe, den Peredwischniki, den Wanderern, an, die sich in ihren Arbeiten gegen die erstarrten Traditionen der Akademiemalerei wandten.

In Porträts, Landschaften, Genre- oder Historienszenen stellten sie in mitunter psychologisierten Momentaufnahmen die Missstände des Alltags dar. Inspiriert von den Impressionisten, sollte vor allem Repin in seiner formalen Auseinandersetzung mit Licht und atmosphärischen Effekten zum unübertroffenen Vertreter des russischen Realismus werden. Sein Schüler Serow entwickelte sich zu einem der ersten russischen Impressionisten.

Image
Ilya Repin, Leo Tolstoi beim Pflügen, 1887.
Öl auf Karton, 27.8 x 40.3 cm.
Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau


Lassen sie sich von diesem großartigen Künstler noch bis zum 8. Oktober 2012 in der Ausstellung Ilya Repin: Master Works from the State Tretyakov Gallery im Bunkamura Museum of Artin Tokyo faszinieren oder erweitern Sie ohne lange Anreise und vielleicht in Gesellschaft eines guten russischen Wodkas – in Maßen versteht sich – Ihren Informationsstand über Russland, seine Künstler und seine Maler des Realismus mit den Büchern Repin von Grigori Sternin und Jelena Kirillina sowie Valentin Serow von Dmitri Sarabianov des Verlages Parkstone-International, die sowohl als Print als auch als E-Book erhältlich sind.