Tuesday, September 18, 2012

Der Erwerb des Seelenheils

Wie oft standen wir während unseres Studiums der Kunstgeschichte bei den sogenannten „Übungen vor Originalen“ vor christlichen Meisterwerken und gingen vor unseren inneren Augen das „Who‘s Who“ der Kunstgeschichte durch. Auf einer Darstellung der Thronenden Madonna beispielsweise sind im Bildzentrum auf einem Thron sitzend die Gottesmutter und auf ihrem Schoß das Jesuskind dargestellt. Befinden sich weitere Personen auf dem Werk – was keine Ausnahme, sondern eher der Regelfall ist – wird es schon schwieriger. Auf dem seit dem Mittelalter sehr häufig auftretenden Bildtypus der Maestà, der Maria als Herrscherin zeigt, wird diese von Engeln umringt, häufig sind auch mehrere anhand ihrer jeweiligen Attribute erkenntliche Heilige dargestellt.

Besonders schwierig wird es aber, wenn sich die Stifter des Werkes ebenfalls auf der Darstellung befinden. Bereits seit dem Mittelalter war es durchaus üblich, sich als Stifter oder Auftraggeber eines Werkes auf diesem mit abbilden zu lassen. Besonders beliebt wurden die Stifterfiguren durch den gesellschaftlichen Wandel in den Niederlanden im Laufe des 14. Jahrhunderts: Nicht mehr ausschließlich die Kirche, sondern auch weltliche Mäzene gehörten nun zu den wichtigsten Auftraggebern der bildenden Kunst, und für die private Andacht zu Hause wurden immer mehr christliche Bildthemen und Altarretabel in Auftrag gegeben.


Hans Memling: Donne-Triptychon,
um 1480 (Mitteltafel).
Öl auf Eichenholz.
National Gallery, London.



Hieronymus Bosch: Epiphanie-Triptychon, um 1510 (linker Flügel).
Öl auf Holz.
Museo del Prado, Madrid.


Heutzutage mag die Idee, sich mit der Thronenden Maria und dem Jesusknaben auf einem Altarretabel zu befinden absurd anmuten. Die Darstellung als Stifter brachte nach dem damaligen Verständnis jedoch genügend Vorteile, um ein in der Regel sehr kostspieliges Stifterbild zu rechtfertigen, denn durch die Förderung des religiösen Werkes konnten die Stifter dem Himmelreich einen Schritt näher kommen. Während die Stiftung an sich bereits eine gute Tat darstellte, förderte die gleichzeitige Darstellung in dem gestifteten Werk zusätzlich die Aussicht auf einen positiven Ausgang des Jüngsten Gerichts, da es üblich war, die dargestellten Stifter bei der Anbetung mit ins Gebet einzuschließen und sich für deren Seelenheil starkzumachen. In einer andächtigen Pose dargestellt, konnten sich die Stifter darüber hinaus nicht nur als vorbildliche Christen präsentieren, sondern zeigten damit auch ihre Zugehörigkeit zu den privilegierten Kreisen, da nur diese sich eine solche Darstellung leisten können.

Einer der am meisten bewunderten niederländischen Maler des 16. Jahrhunderts war der Renaissance-Maler Maerten van Heemskerck (1498-1574). Eines seiner wichtigsten Werke – das Altarbild Ecce Homo (1544) – wurde in den vergangenen 18 Monaten von einem Expertenteam aus Kuratoren, Restauratoren und Wissenschaftler des Getty Museums und des Getty Conservation Institute konserviert und eingehend untersucht. Seit Anfang Juni 2012 und noch bis zum 13. Januar 2013 ist das zu der Sammlung des Nationalmuseums in Warschau zählende Meisterwerk im The J. Paul Getty Museum in Los Angeles ausgestellt. Auch hier gibt es zwei Stifterfiguren zu bewundern.

Wer weitere Informationen zu Stifterfiguren in der Malerei, zu Hans Memling oder Hieronymus Bosch sucht, findet diese mit hervorragenden Farbabbildungen in den als gebundene Ausgabe oder als E-Book erhältlichen Büchern Bosch und Memling des Verlages Parkstone-International.

 

-C. Schmidt

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