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Wednesday, November 21, 2012

Kontroversen bei Goya

In der Kunstgeschichte sind es vor allem die kontroversen Diskussionen, die diese mitunter als verstaubt geltende Wissenschaft immer wieder spannend werden lassen. Neben Urheberschaft und Interpretationsvarianten verleiten auch sozialkritische Werke immer zu umfangreichen Debatten.

Ein solches sozialkritisches Werk ist Los Caprichos, Druckgrafiken aus den Jahren 1793 bis 1799, das sich mit den Ehesitten seiner Zeit kritisch auseinandersetzt, das die Erziehung, die Prostitution und den Aberglauben thematisiert und nicht nur den klerikalen Machtmissbrauch mit Hilfe der Inquisition, sondern auch den Adel und die Regierung gezielt angreift. In 80 Blättern entwirft Francisco de Goya (1746-1828) Sittenbilder seiner Zeit, die er nach nur wenigen Tagen wieder aus dem Verkauf zurückzieht, weil er selbst die Inquisition fürchten muss.

 


Francisco de Goya, El sueño de la razon produce monstruos (Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer), in Los Caprichos, Blatt 43, 1797-1798.
Radierung und Aquatinta, 21,6 x 15,2 cm.


 

Das Blatt 43 zog seither das besondere Interesse der Kunstgeschichte auf sich. Es leitet den Letzten der drei von Goya gewählten Themenkreise, den Aberglauben, ein. Wie auf vielen weiteren Grafiken dieser Reihe findet sich auch hier ein kurzer Kommentar: El sueño de la razón produce monstruos.

Und genau diese Zeile ist für ein immer noch anhaltendes Interpretationsaufgebot der Wissenschaft verantwortlich. Schläft die Vernunft oder träumt sie? Sprachgeschichtlich hat el sueño sowohl die eine als auch die andere Bedeutung, die hier jedoch den entscheidenden Unterschied macht. Denn ob die „Monstren“ erst in Erscheinung treten, wenn die Vernunft schläft, oder ob sie selbst ein Produkt der träumenden Vernunft sind, ist für die Interpretation des Werkes im Kontext der Gesellschaftskritik zu Zeiten der Aufklärung, in der die Vernunft triumphierend den Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit befreite, essenziell.

Und genau diese Ambivalenz der Wortbedeutung lässt Liebhaber und Kunsthistoriker immer wieder in heiße Debatten über die Intention des Künstlers verfallen. Ein Kommentar Goyas zum Blatt selbst wiederum scheint die Auflösung des Konfliktes zu offenbaren: „Die Fantasie, verlassen von der Vernunft, erzeugt unmögliche Ungeheuer; vereint mit ihr ist sie die Mutter der Künste und Ursprung der Wunder.“ Oder ist auch hier nicht nur das künstlerische Schaffen selbst gemeint?

 

Weniger kontrovers, aber ebenso anregend ist die aktuelle Ausstellung Renaissance to Goya: print and drawings from Spain im British Museum in London. Verfolgen Sie hier die Geschichte der spanischen Zeichnung und Druckgrafik oder begleiten Sie zusammen mit Sarah Carr-Gomm Francisco Goya auf seiner Lebensreise vom Hofmaler zum Grafiker und entdecken Sie seine Werke mit Jp. A. Calosses‘ Goya aus dem Verlag Parkstone-International.

 

Tuesday, November 13, 2012

Barock oder Moderne – der Versuch einer Definition?

Die Kunstgeschichte hat immer versucht, jeder Epoche und jedem Stil einen Namen und eine Definition zu geben. Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte – aus Epochen wurden „Strömungen“. Historisch-politische Umschwünge hatten zumeist auch eine Richtungsänderung in der Kunst zur Folge, und so brachte das 17. Jahrhundert, geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und dem Absolutismus, die Kunst des Barock hervor, derer sich später auch die Aufklärung bedienen sollte. Überschwängliche, runde und ausladende Formen, ein Übermaß an Schmuck, dramatische Lichtregie, Dynamik, Symmetrie, Repräsentation und das Bewusstsein der Vergänglichkeit definieren im Allgemeinen die Architektur, Skulptur und Malerei des Barock. Das Gesamtkunstwerk prägte Profan- und Sakralbauten, ekstatische Bewegungen die Skulptur und Theatralik die Malerei. Und wer kennt sie nicht, das Schloss in Versailles, Gian Lorenzo Berninis Apollo und Daphne (1622-1625) oder Rembrandt van Rijns Nachtwache (1642)?

 


Rembrandt van Rijn, Die Kompanie des Hauptmanns Frans Banning Cocq oder Die Nachtwache, 1642.
Öl auf Leinwand, 379,5 × 453,5 cm.
Rijksmuseum, Amsterdam.


 

Für die Moderne scheint eine Definition fast unmöglich. Das vergangene Jahrhundert hat zwar die Kunst immer wieder neu erfinden wollen und dies mehr oder weniger auch getan, aber „Strömungen“ waren nicht mehr bestimmbar und auch das moderne Kunstwerk musste als Kunstwerk vom amerikanischen Philosophen und Kunstkritiker Arthur C. Danto (*1924) in seiner Verklärung des Gewöhnlichen 1984 erst wieder identifiziert und definiert werden.

Erstaunlich ist es dann aber doch, dass bei soviel Innovation und der Frage um die Berechtigung eines Gegenstandes als Kunstwerk die definierenden Eigenschaften einer längst vergangenen Epoche offenbar wieder Anwendung finden. Bei dem Gedanken an überschwängliche Formen, Dynamik, Ekstase und Theatralik sollten nicht nur Jeff Koons (*1955), Frank Stella (*1936) oder der Architekt Frank Gehry (*1929) Assoziationen hervorrufen.

 


Jeff Koons, St. John the Baptist, 1988.
Porzellan, 143,5 x 76,2 x 62,2 cm.
Seattle Art Museum, Seattle.


 

Trotz neuer Formensprache und künstlerischer Intention scheint die Rezeption doch wieder einmal die wirkliche Konstante in der Kunstwissenschaft zu sein. Und so zeigt die Art Gallery of Alberta noch bis zum 6. Januar 2013 in der Ausstellung Misled by Nature: Contemporary Art and the Baroque, zeitgenössische Künstler in ihrer Auseinandersetzung mit der Kunst und den Künstlern des Barock.

Wenn Sie selbst mehr über die architektonischen Gesamtkunstwerke, die Meisterleistungen der Skulptur und Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts erfahren möchten, erhalten Sie mit dem Titel Baroque Art von Victoria Charles und Klaus H. Carl des Verlages Parkstone-International einen umfangreichen ersten Überblick.