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Wednesday, November 7, 2012

Sünde, Versuchung, Höllenqualen – Die Höllen-Landschaften des Hieronymus Bosch

Keiner konnte das Böse so gut darstellen wie Hieronymus Bosch (1450- 1516). Seine an Wimmelbücher für Erwachsene erinnernden Darstellungen sind voller Bestien, Anspielungen und Symbole. Symbole werden in der bildenden Kunst zwar bereits seit der Prähistorik verwendet, aber anders als bei Symptomen wie „...wo Rauch ist, ist Feuer“ besteht zwischen dem Symbol und seiner Bedeutung jedoch keine direkte, auf den Symbolgehalt hinweisende Beziehung. Das Symbol besitzt seine bestimmte Bedeutung nur aufgrund von Konventionen. Mit dem Spracherwerb lernen wir im Kindesalter gleichzeitig die Symbolsprache. Am Horizont aufquellende schwarze Wolken stehen für Unglück, die vom Himmel fallende Sternschnuppe hingegen wird mit Glück assoziiert. In unserer Kultur weiß das jedes Kind. Die Kunst fremder Kulturen oder früherer Epochen wirft dagegen oft Fragen auf.


Hieronymus Bosch, Der Garten der Lüste, 1500-1505.
Öl auf Eichenholz, 220 x 389 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid.


Je nach thematischem, historischem und kulturellem Kontext kann die Bedeutung eines Symbols verblassen oder variieren. So ist uns heute eine Vielzahl der religiösen Symbole nicht mehr geläufig. Da die Symbole der sakralen Kunst jedoch festen Vorgaben folgen, die neben der Personenanzahl und Farbgebung auch die Symbolik betreffen, kann die religiöse Bedeutung allerdings mit der Hilfe eines Symbollexikons schnell aufgeschlüsselt werden. Anders verhält es sich bei Darstellungen Boschs, der seine ganz eigenen Symbolsprache entwickelte. Zwar tauchen in vielen seiner Bilder dieselben Symbole auf, aber Vieles ist und bleibt nicht nur auf den ersten Blick rätselhaft: Warum sitzt beispielsweise auf der Mitteltafel des Triptychons Der Garten der Lüste eine Gruppe Menschen unter einer riesigen Erdbeere und warum steigen andere aus dem See heraus, um dann in ein an einer Seite aufgebrochenes Ei zu kriechen?


Hieronymus Bosch, Der Garten der Lüste (Mitteltafel, Details), 1500-1505.
Öl auf Eichenholz, 220 x 389 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid.


Mit dem verbindlichen Kanon der Heiligenattribute kommt man bei Boschs Darstellungen nicht weit. Viele seiner Symbole konnten aber durch den Vergleich seiner Gemälde in ihrer Bedeutung entschlüsselt werden. So könnte die riesige Erdbeere einen Überfluss irdischer Genüsse symbolisieren, der sich für die im Kreis sitzenden in greifbarer Nähe befindet – eine Warnung den allgegenwärtigen Todsünden wie Wollust und Völlerei zu verfallen? Das aufgebrochene, in der Regel als Fruchtbarkeitssymbol geltende Ei wird hier zu einem Zufluchtsort der im wahrsten Sinne des Wortes gestrandeten Sünder, die sich (reumütig?) zurück zum Ursprung begeben. Die Tatsache, dass das Ei zerbrochen ist, kann zudem auf die Unbeständigkeit der weltlichen Freuden hindeuten.

Der Bruch mit traditionellen Bildprogrammen und der individuelle Umgang mit Symbolen führten zur Ausbildung einer Bosch eigenen Symbolsprache und machten ihn zu einem Künstler, der seiner Zeit weit voraus war. Da der Großteil der Symbole ambivalent ist und Bosch keinerlei schriftliche Notizen zu seinen Werken hinterlassen hat, ist die Analyse seiner Arbeiten größtenteils spekulativ. Doch gerade dies macht sein Werk so spannend.

Die aktuelle Ausstellung im Palais de Beaux-Arts de Lille präsentiert noch bis zum 14. Januar 2013 neben Arbeiten Hieronymus Boschs weitere Werke des 16. Jahrhunderts, unter anderem von den flämischen Malerfamilien Bril und Brueghel, von dem flämischen Landschaftsmaler Herri met de Bles (um 1500 - um 1555) und dem flämischen Maler und Zeichner Joachim Patinir (zwischen 1475/80-1524). Das 16. Jahrhundert bescherte der Landschaftsmalerei in den Niederlanden seine erste Blüte. Die flämische Landschaft dieser Epoche wird durch die Auswahl der Gemälde in den Vordergrund gerückt. Anders als auf Boschs von Personen dominierten fantastischen Landschaftsgemälden, rücken die Figuren auf anderen Arbeiten zugunsten der Landschaftsdarstellung nun oft an den Rand der Werke. Die Landschaft kann sich zum ersten Mal als Bildmotiv behaupten, während die dargestellten Personen fast nur noch Staffage sind.

Wer von Boschs höllischen Fantasiewelten nicht genug bekommen kann, dem sei an dieser Stelle das im Verlag Parkstone International erschienene E-Book Bosch empfohlen. Weitere schaurig-schöne Weltuntergangsdarstellungen bietet darüber hinaus der Titel Apokalypse.

http://www.pba-lille.fr/spip.php?article2829

 

-C.Schmidt

Thursday, June 14, 2012

Nur in der Landschaft existieren wir, und wir sind die Geschöpfe einer Landschaft (John Constable)

Seien es Fakten oder Klischees, für jedes Land kursieren im kollektiven Gedächtnis eine Reihe landestypischer Besonderheiten und Skurrilitäten.

Was verbinden wir heute mit England? Was ist für uns typisch britisch? Der obligatorische schwarze Tee zur nachmittäglichen „Tea time“? Die Queen? Die aufwendigen Hüte und farbenfrohen Kostüme der High Society? Mr. Bean oder der schwarze Humor der Bevölkerung? Der Regen?

Einen ganz anderen Blickwinkel auf ihr Heimatland pflegten die englischen Maler zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dem „Goldenen Zeitalter“ der Landschaftsmalerei.

Als Sohn eines Friseurs machte sich Joseph Mallord William Turner wenig aus Adel und Königshaus, nicht die Menschen, sondern die Landschaft faszinierte ihn. Einen Großteil seiner Kindheit verbrachte er auf dem Land, die ersten seiner späteren Meisterwerke schuf er in einem Alter von 12 Jahren. Ohne je eine künstlerische Ausbildung absolviert zu haben, wurde er zu einem der führenden Vertreter der Landschaftsmalerei und ist bis heute einer der bedeutendsten Künstler der englischen Kunstgeschichte.

Turner und John Constable, um gleich die beiden erfolgreichsten Künstler dieser Gattung in England zu nennen, wollten jedoch kein reales Abbild der Wirklichkeit schaffen, es ging ihnen nicht um das Wahrnehmbare, Faktische, sondern gerade um die Sichtbarmachung des Unsichtbaren, des spirituellen und des emotionalen, menschlichen Inneren, für dessen Darstellung sie die Landschaft als Spiegel heranzogen.


John Constable, Stonehenge, 1835. Aquarell auf Papier, 38,7 x 59,7 cm. Victoria and Albert Museum, London.


Obwohl viele der abgebildeten Motive real existieren und zuordenbar sind, spielt der Wiedererkennungseffekt, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle.

Die Künstler wollten sich nicht in der mimetischen Nachahmung der Natur messen, sondern etwas noch nie auf diese Weise Dargestelltes abbilden:„Malen ist ein anderes Wort für Fühlen“, diese Aussage Constables macht seine Zugehörigkeit zu den Romantikern offenkundig.

Als Topograf kann auch Turner nicht betrachtet werden, obwohl er seine Skizzen nach und in der Natur anfertigte, variierte er die Höhe der Berge, die Breite der Täler und vor allem die Farbigkeit des Dargestellten in seinen Aquarell- und Ölgemälden und schuf dadurch Stimmungsbilder.




J.M.W. Turner, Warkworth Castle, Northumberland – Gewitter nähert sich bei Sonnenuntergang, 1799.
Aquarell auf weißem Papier, 52,1 x 74,9 cm. Victoria and Albert Museum, London.


Kontrastierend zu der genauen Naturbeobachtung steht die malerische Linienführung, die zugunsten des Lichts und der Farbe in den Hintergrund rückt. Formen und Farben zerfließen miteineinander und werden zu einer Einheit aus hellen und dunklen Partien, zu einer Mischung aus Sichtbarem und Verborgenem.

Durch den großen Erfolg der englischen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert gilt diese bis heute als das englischen Genre schlechthin, was auch der Titel „So Peculiarly English: topographical watercolours” der aktuellen Ausstellung im Victoria and Albert Museum in London beweist.

Die Ausstellung präsentiert seit dem 7. Juni 2012 und noch bis zum 1. März 2013 eine Auswahl der bedeutendsten englischen Landschaftsgemälde. Obwohl sie der topografischen Landschaftsdarstellung nicht entsprechen, umfasst sie auch – vermutlich der Vollständigkeit halber oder aufgrund der großen Popularität ihrer Schöpfer – Werke Turners und Constables.

Nähere Informationen zu einem der klassischen englischen Landschaftsmaler – vor (oder nach) dem Besuch der Ausstellung –  liefert das E-Book zu William Turner.

-C. Schmidt